Daten im digitalen Gesundheitssystem – Was braucht die Schweiz?

Das Potenzial von Daten für die Gesundheitsversorgung ist gewaltig, die Schweiz muss deshalb ihr Gesundheitswesen konsequent digitalisieren. Gemeinsam mit Wirtschaftsführer Jürg Erismann, Professor Elgar Fleisch und Nationalrat Christoph Eymann haben Interpharma und die Handelskammer beider Basel mit rund 100 Zuschauerinnen und Zuschauern an der virtuellen Future Health Basel diskutiert, was die Schweiz für ein offenes Gesundheitsdatenökosystem braucht.

Von Philippe Hofstetter

Klar ist: Die Schweiz hat Nachholbedarf in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Der digitale Wandel muss rasch vorangetrieben, sodass Daten verantwortungsvoll erhoben und geteilt werden können. Es braucht ein offenes Gesundheitsdatenökosystem. Zwar könnten wir heute technisch grosse Mengen an digitalen Daten sammeln, jedoch verschwenden wir zurzeit den Grossteil davon. Professor Elgar Fleisch, der an der ETH Zürich und Universität St. Gallen lehrt und forscht, zeigte an der diesjährigen Future Health eindrücklich auf, welches Potential Daten für die Gesundheitsversorgung haben: Ein offenes Gesundheitsdatenökosystem würde ermöglichen, Diagnostik und Behandlung an den persönlichen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten auszurichten. Dadurch würden nicht nur Diagnostik und Therapien innovativer – die öffentliche Gesundheit würde im ganzen nachhaltiger und effizienter.  Damit Daten spenden zukünftig ein Anliegen von gesunden und kranken Menschen gleichermassen ist, und «Datenspenden zum neuen Blutspenden wird», muss der Schutz der Daten bequem und sicher und ihre Freigabe leicht kontrollierbar sein. Professor Fleisch war einer der drei Keynote Speaker am Deep-Dive «Daten im digitalen Gesundheitssystem – Was braucht die Schweiz?», den die Interpharma und die Handelskammer beider Basel gemeinsam veranstaltet haben.

Da ein offenes Gesundheitsdatenökosystem ein derart grosses Potenzial für Patienten, Forscherinnen und Gesellschaft hat, ist es ein entscheidender Standortfaktor. Schafft die Schweiz die nötigen Rahmenbedingungen, stärkt sie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Forschung und Industrie. Diese Position vertrat Jürg Erismann, Standortleiter Basel/Kaiseraugst bei F. Hoffmann-La Roche und Präsident des Life Sciences Cluster Basel. Für Basel und andere forschungsstarke Regionen in der Schweiz ist es wichtig, dass die Politik die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreibt. Arbeitsplätze und Investitionen hängen daran.

Nur: Während in Industrie und Akademie Einigkeit besteht, drehen die Mühlen der Politik langsamer. Dies erörterte Nationalrat Dr. Christoph Eymann, der die Motion 21.3021 vorstellte. In der Motion beauftragt die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats den Bundesrat, eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe einzusetzen, um einen Bericht über die verantwortungsvolle Erhebung und Nutzung von Gesundheitsdaten und die Anforderungen an ein offenes Gesundheitsdaten-Ökosystem zu erstellen. Wie wichtig nun das Parlament ist, zeigt sich daran, dass der Bundesrat die Motion unmittelbar nach der Future Health Basel zur Ablehnung empfohlen hat. 

In der Schweiz sind wir uns einen grossen Wohlstand und einen starken Pharmastandort gewohnt.  In Zukunft werden wir diese Standards nur beibehalten können, wenn wir bei der technischen Revolution um Gesundheitsdaten an führender Position dabei sind. Allerdings wird kein Akteur alleine in der Lage sein, diese Revolution zu gestalten. Im Rahmen der Deep Dive schildern Interpharma und die Handelskammer beider Basel ihre Vorhaben. Es ist wichtiger denn je, dass die Rahmenbedingungen stimmen: eine offene Daten-Infrastruktur, klare Regeln und Standards, digitale Kompetenzen, regulatorische und finanzielle Anreize und eine Kultur des Datenaltruismus. Unter dieser Prämisse entwickelt Interpharma einen Policy Brief, den die 30 Teilnehmenden an der an den Deep Dive anschliessenden Diskussion begrüssten und kommentierten. Der Life Sciences Cluster Basel – eine Initiative der Handelskammer beider Basel – wird die Herausforderungen gemeinsam mit Interpharma anpacken und in der Region Basel Impulse für entsprechende Massnahmen und Projekte geben.