Bei der Genom-Editierung müsste jedes grüne Herz höher schlagen

Der Bundesrat will nicht nur das seit 2005 bestehende Gentech-Moratorium um weitere 4 Jahre verlängern, sondern es sogar noch erweitern und auch fortschrittliche Technologien wie CRISPR/Cas dem Moratorium unterstellen.

Von Philippe Hofstetter

Von Christoph Eymann, Nationalrat LDP

Der Bundesrat will das seit 2005 bestehende Gentech-Moratorium um weitere vier Jahre verlängern. Er begründet die Verlängerung in seiner Botschaft mit dem fehlenden Interesse an einer Aufhebung seitens der Konsumenten und der Landwirtschaft. Doch so eindeutig, ist die Sache nicht. Der Nutzen der Gentechnik für die Pflanzenzüchtung ist in Wissenschaftskreisen glasklar. Skurril ist: Während hinsichtlich des Klimawandels wissenschaftlicher Konsens begrüsst und nicht in Frage gestellt wird, findet die Wissenschaft bei Fragen der Gentechnik kein Gehör.

«Selektive Wissenschaftsverweigerung» könnte man diagnostizieren. Doch die Sache ist ernst: Klimawandel, Umweltschutz und Bevölkerungswachstum erfordern eine effizientere Produktion von Nahrungsmitteln. Wir müssen mit geringeren Flächen mehr Menschen ernähren. Dies erfordert innovative Verfahren zur Züchtung von robusteren Pflanzen, die mit weniger Pestiziden auskommen und häufiger auftretende Wetterextreme besser verkraften können. Die Gentechnik, insbesondere neue Methoden wie die Genom-Editierung, ermöglicht die rasche Züchtung neuer Pflanzensorten. Die Genschere CRISPR/Cas, auf der die Genom-Editierung beruht, ermöglicht so präzise Anpassungen im Erbgut einer Pflanze wie nie zuvor. Die beiden Erfinderinnen der Technik wurden im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Von herkömmlichen Züchtungen sind solche Pflanzen kaum zu unterscheiden.

Jetzt will der Bundesrat nicht nur das bestehende Gentech-Moratorium verlängern, sondern es sogar noch erweitern und auch fortschrittliche Technologien wie CRISPR/Cas dem Moratorium unterstellen. Das Gesetz unterscheidet also nicht zwischen klassischer Gentechnik und neuen Methoden wie CRISPR. Alles soll verboten sein. Und das ist ein grosser Fehler. Die Regierung schreibt, der Genom-Editierung fehle eine «History of Safe Use». Deshalb seien mittels Genom-Editierung gezüchtete Pflanzen ebenfalls als GVO zu klassifizieren. Die Argumentation hinkt in zweifacher Hinsicht. Erstens ist es ein Widerspruch, wenn man ein Produkt erst zulassen will, nachdem durch jahrelange Anwendung die Sicherheit bewiesen ist. Ohne Zulassung kann nämlich keine «History» entstehen. Zweitens herrscht in der Wissenschaft ein breiter Konsens, wonach genomeditierte Pflanzen für Mensch und Umwelt sicher sind. Der Professor für Molekularbiologie an der Universität Zürich, Beat Keller, zeigt sich in der «NZZ» schwer enttäuscht über das Vorgehen des Bundesrates: «Es ist ein schlimmer Entscheid. Einmal mehr verpasst die Schweiz eine Chance.»

Die Genom-Editierung ist das «absolut vielversprechendste Werkzeug» zur kurzfristigen Entwicklung neuer Pflanzensorten, sagt Keller. Welcher Bauer würde im feuchten Klima des Sommers 2021 auf mehltauresistente Kartoffeln verzichten? Das gilt im Übrigen auch für Bio-Bauern, die gegen die Pflanzenkrankheit schädliches Kupfer verspritzen und die Umwelt belasten. Resistente Züchtungen wären bei solchen Verhältnissen das A und O – wohltuend für die Umwelt, weil es sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Produktion weniger Pflanzenschutzmittel braucht und ressourcenschonend, weil weniger Food Waste resultiert. Angesichts von Genom-Editierung müsste jedes «grüne Herz» höher schlagen. Doch die Grünen schalten auf stur.

Dass die Schweiz freiwillig auf die neue Technologie verzichten will, ist nicht nur für innovative Landwirte ärgerlich, sondern auch für die Wissenschaft. Zwar dürfen die neuen Techniken im Labor erforscht werden, doch durch das Anbauverbot hinkt die Schweiz in der angewandten Forschung um Jahre hinterher. Das Gentech-Moratorium kommt somit einem Forschungs- und Technologieverbot gleich, das dem Ruf der Schweiz als Forschungsstandort schadet. Das Parlament muss die seit Jahrzehnten bestehende rechtliche Blockade im Bereich der Gentechnik endlich lösen. Leider hat der Bundesrat meine Forderungen zur Unterstützung der Forschung nicht entgegennehmen wollen. Damit verpassen wir in der Schweiz eine Chance, einen Beitrag zu leisten zur Verbesserung der Ernährung der Weltbevölkerung, was auch positive Auswirkungen auf das Klima haben könnte.

Christoph Eymann
Nationalrat LDP

Christoph Eymann hat im Nationalrat bereits zwei Vorstösse zur Thematik eingereicht. Mit seiner Interpellation «Rechtsunsicherheit bei innovativen Verfahren zur Pflanzenzüchtung» verlangte er vom Bundesrat Antworten zur «History of Safe Use». Und im letzten September wollte Christoph Eymann vom Bundesrat wissen, wann mit einer Anpassung des Rechtsrahmens für neue gentechnische Verfahren gerechnet werden kann. Der Bundesrat stellt sich allerdings unverständlicherweise auf den Standpunkt, dass die neuen Verfahren zur «normalen» Gentechnik gehören und will diese unter das Gentech-Moratorium stellen. Obschon wissenschaftlicher Konsens besteht, dass die bundesrätliche Beurteilung nicht zeitgemäss ist. Denn innovative Züchtungsverfahren wie die Genomeditierung bieten grosse Chancen für die Entwicklung krankheitsresistenter Pflanzen und damit für eine nachhaltigere und produktivere Landwirtschaft.